Maori-Tattoos

Das Gesicht als Kunstwerk

Traditionelle Maori-Tattoos haben auch heute eine kulturelle Bedeutung

Die zarten blauen Linien im Gesicht der jungen Frau verlaufen in geschwungenen Mustern von den Lippen bis unter das Kinn. Auf der Stirn trägt sie ein filigranes spiralförmiges Muster. Ihre Lippen leuchten in dunkelblau, aber Lippenstift ist es nicht. Die junge Maori auf der Strasse von Paihia trägt ein ta Moko, eine tradtionelle Maori-Tätowierung.

Traditionelle Maori-Tattoos, einst Ausdruck der Identität und der Herkunft des Trägers, erleben im modernen Neuseeland ein Comeback. Die Muster sind ausschliesslich schwarz oder dunkelblau. Frauen sind traditionell am Kinn und den Lippen tätowiert, manchmal auch an der Stirn, den Armen und Beinen. Männer können ihren ganzen Körper mit den Mustern überziehen lassen, charakteristisch sind jedoch Gesicht, Rücken, Pobacken und Beine.

Die Muster bestehen aus Spiralen und geschwungenen Linien unterschiedlicher Dicke, die auf komplizierte Art ineinander verschlungen sind. Mokos sind kein reines Schönheitsmerkmal. Ihre traditionelle Bedeutung liegt in der Zurschaustellung von Kraft, Mut und sozialem Status. Je komplizierter das Muster, umso höher gestellt ist der Träger. Da der Kopf der heiligste Teil des Körpers ist, sind Gesichtstattoos am bedeutendsten. Das Gesicht ist dabei in acht Bereiche eingeteilt, auf denen bestimmte Muster zu sehen sind, z.B. Stirn, Nase, Wangen. Die linke Hälfte des Gesichts zeigte früher in vielen Maori- Familien mit ihren Mustern die Abstammung von väterlicher Seite, die rechte Gesichtshälfte die Vorfahren der Mutter.

Nachdem Mokos seit Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend ihre Popularität verloren hatten, erleben sie seit den 1990er Jahren zusammen mit dem Erstarken der Maori-Kultur und der kulturellen Identität ein Revival. Junge Maori lassen sich wieder tätowieren, allerdings hauptsächlich auf dem Körper, selten im Gesicht. Auch die Technik wird moderner. Anstatt die Muster zu stechen, wie es heute in Tattoostudios üblich ist, schnitzten traditionelle Maori-Tattowierer ursprünglich ihre Bilder mit einem kleinen Hammer und einer Art Meißel in die Haut und brachten die Tinte mit dem Meißel in die tiefen Einschnitte. Dieser Prozess war sehr schmerzhaft und langwierig und wurde früher von Ritualen, Gesang und Musik begleitet. Heute verwenden Maori-Künstler modernere Nadeln und Techniken. Maori, für die ihre Tätowierung einen starken Symbolwert hat, lassen sich jedoch auch heute von einem der tradtionellen Tätowierer in der alten Technik behandeln.

Auch für Nicht-Maori besitzen die Muster eine große Anziehungskraft, weshalb junge Leute in aller Welt sich für ein charakteristisches Moko-Muster entscheiden. Die Moko bedeuten für die Maori jedoch auch in der heutigen Zeit einen Teil ihrer Identität, weshalb sie es als Beleidigung verstehen, wenn ein Nicht-Maori sich Moko-Symbole stechen lässt. Eine gute Möglichkeit ist es daher, sich für Muster zu entscheiden, die den Bildern ähneln, jedoch keine Bedeutung für die Maori-Kultur haben.

Einen Besuch wert ist das National Tattoo Museum in Wellington (42 Abel Smith Street, Di-So 23-27.30): Traditionelle Mokos, aber auch Fotos mit skurillen Bildern völlig bedeckter Körper und anderen menschlichen Kunstwerken zeigen die Möglichkeiten des Tätowierens. Und wen es packt, der kann sich direkt im angrenzenden Studio selbst tätowieren lassen!