Wie Fischermänner feiern
Nach 8 Tagen auf schunkelnder See betraten wir endlich, endlich wieder Land! Wir legten um 6 Uhr morgens am Hafen in Russell an und Adam scheuchte uns sogleich vom Boot, damit er es von seiner 7 Tonnen schweren Ladung Fisch befreien konnte. Ich freute mich, wieder festen Grund unter meinen Fußsohlen spüren zu können und sprang heiter auf den hölzernen Steg. Fast hätte es mich rittlings wieder auf das Schiffsdeck gedreht, so schwankend kam mir nun der Boden vor. Es war phänomenal: Mein Gleichgewichtssinn hatte sich schon nach einer Woche voll auf permanentes Schwanken umgestellt. Die Holzbretter unter mir fühlten sich sumpfig an, als würde ich darin einsacken. Jeder Schritt war schwer, eine Herausforderung. Adam wollte uns schnell zu seinem Haus bringen und wartete etwas ungeduldig an seinem Auto. Aber ich konnte mich nicht schneller fortbewegen als auf dem Fischerboot. Die fein geschwungenen Holzlinien halfen auch nicht direkt, mich auf eine gerade Strecke vor mir zu konzentrieren. Als ich schließlich den Jeep erreichte, meine Adam lachend, ich solle aufpassen, dass ich in der Dusche nicht umfalle – das sei schon des Öfteren vorgekommen.
Dann brachte er Rani und mich zu seinem Haus. Oder eher sein Anwesen. Es lag gleich um die Ecke von Bruce´s Ferienanlage – war aber mindestens doppelt so beeindruckend. Er setzte uns dort mit den Worten ab, wir sollten uns wie zu Hause fühlen und uns nicht von seiner Frau und ihrem gemeinsamen Kind erschrecken lassen. Dass wir zwei Eindringlinge seine Frau und ihr gemeinsames Kind erschrecken würden, kam ihm wohl nicht in den Sinn, als er wieder zu seiner Medea hinunter sauste, um sich der Arbeit zu widmen. Das Innere des Hauses war noch imposanter als man von draußen erwartete: der PC Bildschirm war so groß wie der Fernsehbildschirm daheim in Deutschland, der Fernsehbildschirm so groß wie ich und die Dusche so groß wie mein Zimmer. Von der ganz und gar verglasten Wohnzimmerwand mit Panoramablick auf die glitzernde See ganz zu schweigen…
Adam war erst 34 und plante, in ein paar Jahren das Arbeiten schon aufzuhören. Als er uns das auf dem Kutter erzählte, kam es mir komisch vor – jetzt nur noch logisch.
Rani und ich wuschen unsere nach Fisch muffelnden Klamotten, duschten (ohne umzufallen!), aßen endlich wieder frisches Obst außer Äpfel und machten Bekanntschaft mit Adam´s Frau. Auch eine Louise. „Nomen est Omen-“, dachte ich bei mir, “ich werde einfach Campbell heiraten, der nach Adam die Medea übernehmen sollte. Dann kann ich auch so schick leben!“
Campbell wollte aber nicht (fühlte sich trotzdem geschmeichelt), sondern lud uns lieber zu seiner Feier ein: Er fährt im Monat drei mal für jeweils eine Woche auf das Meer hinaus, kommt für einen Tag dazwischen immer nach Hause, um den gefangenen Fisch abzuladen, und hat eine ganze Woche frei. Und an seinen freien Tagen feiert er. So wurden Rani und ich in unsere erste neuseeländische Party eingeweiht: Man besorgt sich frühnachmittags beim Liquor Shop seines Vertrauens das, was man gedenkt, zu trinken zu schaffen – und noch ein bisschen mehr. Dann lädt man die Fischerdorf- jugend ein – per sms. Um 5 Uhr wird dann angefangen, zu trinken. Um 7 geht das Trinken aus. Man sucht sich einen noch nüchternen Fahrer, der Nachschub holen soll. Um 5 vor 8 geht das Trinken nochmals aus. Man findet keinen nüchternen Fahrer mehr, aber das macht keineswegs was, denn der würde es bis 8 eh nicht mehr rechtzeitig zum Laden schaffen, weil er sich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten würde. Um 9 will keiner mehr etwas von dem Trinken sehen. Um 10 verabschieden sich die Gäste und um 11 würgen die Gastgeber noch das letzte Absacker Bierchen hinunter, bevor sie in die Federn fallen. So bekommt man wenigstens seine Mütze Schlaf. Und keinen Kater – denkt man.