Cape Reinga

Bis zum nördlichsten Punkt von Neuseeland Unsere knapp dreiwöchige finale Rundreise über die Nordinsel bevor wir mit der Fähre auf die Südinsel nach Picton übersetzen, führte uns auch zum nördlichsten Punkt Neuseelands – Cape Reinga!

Wenn man in Neuseeland unterwegs ist und man dafür genügend Zeit mitgebracht hat, muss man diesen Punkt einfach sehen – auch wenn die Straßen dorthin nicht unbedingt ein Vergnügen sind. Die letzten 20km sind überwiegend gravel road, wobei man gerade dabei ist, eine befestigte Straße zu bauen.

Für die Maori ist dieser Ort, um den sich viele Legenden und Mythen ranken. Cape Reinga (Te Rerenga Wairu) ist der Ort, an dem die Seelen der Verstorbenen das Land verlassen, um in ihre Heimat Hawaiiki zurückzukehren. Gleichzeitig markiert dieser Punkt das Zusammentreffen von Tasmanischer See und Pazifik, was man gut an den sich brechenden Wellen mitten auf dem Meer erkennen kann. Für die Maori symbolisiert dies das Zusammentreffen der weiblichen See (Tasmanische See) mit der männlichen See (Pazifik) das Entstehen neuen Lebens!

Am Cape Reinga gibt es sogar ein kleines Postamt, den oft abgebildeten Leuchtturm und zahlreiche Walkingtracks, die einem zu den umliegenden Küstenabschnitten, wie das Cape Marie van Diemen, führen.

Bei guter Sicht kann man bis zu den Three Kings Islands schauen, die rund 68 km nördlich von Cape Reinga liegen. Den Namen haben sie von ihrem Entdecker Abel Tasman bekommen, der sie im Jahr 1643 am Horizont sichtete und das es der Abend von Epiphanie war, bekamen sie den Namen Three Kings Islands.

Das sehr windig-rauhe Cape Reinga ist schon ein sehr faszinierender Ort und wenn man sich dann noch bewusst wird, dass man hier am nördlichsten Punkt von Neuseeland (Festland) steht, war das für mich schon ein echtes Erlebnis.

Auf Opossum Jagd

Somewhere in the bush…

Campbell hatte die ganze nächste Woche frei und bot uns nach dem Boat Trip noch einen Road Trip an: er war nämlich stolzer Besitzer eines hellblauen Wagens aus den 70gern. Mit Schaffellbezügen auf den Sitzen, hölzernem Armaturenbrett und einem „british horn“ – wie er uns mit aufgesetztem, feinen englischen Akzent erklärte, dabei die Lippen spitzte und die Brauen hochzog, sodass sein Gesichtsausdruck einem Butler ähnelte.

 

Bis hoch zum Cape Reinga wollte er uns kutschieren – doch zuerst noch seinem Papa vorstellen, der an der Westküste ein kleines Buschhäuschen bewohnte. Von Beruf war er Gefängniswärter,  baggerte in seiner Freizeit Wege durch sein Waldland und machte seinen eigenen Honig. Wir durchquerten also von Paihia bis Opononi das Land und fuhren dann südwärts. Nach etwa 15-minütiger Fahrt auf einer staubigen Schotterstraße (und sie war nur so staubig, weil Campbell uns zeigen musste, wie gut sein Auto über den Kies driftete), bogen wir dann in die Auffahrt zu dem Hüttchen ein. Sie war gesäumt von Orangen-,  Mandarinen- und Zitronenbäumen und als wir aus dem Wagen stiegen, umgab uns nichts als Reinheit. Klare, kühle Luft die in deine Lungen strömt und dabei alle Schmutzpartikelchen aus der Luftröhre mitnimmt als wäre es ein Staubsauger, der noch frischen Zitronenmelissegeschmack hinterlässt. Sie strömt bis zum Bauchnabel runter und füllt dich mit einer Frische auf, dass du dich wie von innen gebadet fühlst. Ich wollte nur noch an dem Fleckchen stehenbleiben und atmen, atmen, atmen. Dann wurde ich vom Hund umgerannt, der uns freudig Schwanz wedelnd begrüßte.

Campbells Vater begrüßte uns weniger euphorisch. Er war ein wortkarger Mann, machte aber in sich einen zufriedenen und glücklichen Eindruck. Er redete wenig mit uns Mädels, Campbell fragte er lediglich nach seiner Arbeit auf dem Fischerboot und beklagte sich dann über die Opossums, die sein Haus belagerten und alles, wirklich alles, anknabberten, auffraßen, runterschlangen. Als die Dunkelheit hereinbrach, nahm Campbell Rani, mich, das Luftgewehr seines Vaters und die Autoschlüssel: wir gingen auf Jagd. Mit heruntergekurbelten Fenstern fuhren wir – diesmal sehr vorsichtig –, den Blick in alle Richtungen schweifend und die Ohren gespitzt, die Schotterstraße entlang. Sobald sich im Straßengraben etwas bewegte, drückte Campbell auf´s Gas, um – falls es ein Opossum war, und falls es die Straße kreuzen sollte – es gnadenlos platt zu planieren. Hie und da lagen schon die zerfetzten Kadaver anderer toter Tiere rum und Campbell verfluchte diejenigen, die uns zuvor gekommen waren; anscheinend war es gängig, in Neuseeland bei Nacht und Nebel im Auto die nervigen Viecher zu überfahren.

Es war eine ruhige Nacht – auch in den Baumkronen bewegte sich nichts. Das Gewehr blieb unberührt auf der Rückbank liegen und wir drehten das Auto wieder herum – Campbell etwas enttäuscht, Rani und ich erleichtert, dass wir kein Tier, auch wenn es noch so ein Plage war, auf dem Gewissen zu haben.

© Luise Maier