Plantagenparadies
Und dann kam der Tag, an dem wir uns von unserem Chauffeur trennen mussten. Nach 6 Tagen gemeinsamer Abenteuerlichkeiten setzte er uns in Kerikeri, der Fruit-Picking-Stadt des Nordens, aus. Nicht ohne uns davor jedoch erst zu einem Eis, dann zu einem Bier und danach noch in der dort gelegenen Schokoladenfabrik auf ein Abschiedspralinchen einzuladen.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier: Nachdem der hellblaue Wagen mit einem letzten britischem Hupen verschwunden war, wusste Rani und ich erstmal nichts mit uns anzufangen. Wir hatten uns sehr auf die Sicherheit des Reisens mit Campbell eingestellt – nun fühlten wir uns ins kalte Wasser geschmissen. Wir wollten zwar nach Kerikeri, um dort bei Nacht und Nebel uns an einer Fruchtplantage zu bereichern (die Orangen, die wir damals bei Bruce gegessen hatten, waren kerikeri´sche) – aber er war gerade mal Mittagszeit.
Also packten wir unsere Rucksäcke neu (es war ja zuvor alles einzeln im Auto verteilt gewesen) und machten uns daran, die 5000-Einwohner-Stadt zu erkunden. Wir wuschen unsere dreckigen Socken im Büchereiklo, stöberten in der Kinderbuchabteilung, nutzten den kostenfreien Internetzugang, deckten uns im örtlichen Großsupermarkt euphorisch mit neuen, noch nicht ausprobierten Konservenbüchsen ein, ergatterten vom Spaßartikelladen 10 Avokados für nur 3 Dollar, dazu eine große, grüne Plastiksalatschüssel, picknickten zwischen stattlichen Rugby Spielern im Park und begaben uns schließlich auf Schlafplatzsuche. Nicht weit von der Hauptstraße entfernt fanden wir den perfekten Platz: zentrale, ruhige Lage, 1200 Quadratmeter, Grünfläche. Der Schrottplatz von Kerikeri. Zwischen drei Hausruinen, von denen eigentlich nur noch das Fundament stand, hatten Leute ihren Sperrmüll abgeladen. Fernseher, Bettroste, Tiefkühltruhen waren umzäunt von Mandarinenbäumen und von hohem Gras umgeben. Doch, der Spot hatte Charme. Wir breiteten unsere Zeltplane aus und warteten auf das Dunkel.
Kaum spürten wir die Kühle der Dämmerung, versteckten wir unsere Rucksäcke im Gebüsch und schlichen uns von dannen, um unserer kriminellen Energie freien Lauf zu lassen. Die Hauptstraße war geziert von Obstplantagen. Aber jedes Mal, wenn wir uns in eine hineinbegeben wollten, fuhren wir unter den hellen Scheinwerferkegeln vorbeifahrender Autos zusammen. Wir wechselten die Straßenseite und liefen geduckt eine Hausmauer entlang. Dahinter versprach ein großer Garten zu liegen. Doch statt dem gewünschten Schlaraffenland an frischen Früchten fanden wir nur Mülltonnen vor. Dazu kam hinter uns ein Auto die Einfahrt hoch. Wir kauerten uns hinter die Tonnen, während der Wagen wie ein Suchtrupp langsam an uns vorbeifuhr. Und hielt. Wir sprangen auf und sprinteten davon. Eine tiefe Männerstimme rief uns hinterher. Kurz darauf hörten wir den Anlasser. Von dem Gefühl, verfolgt zu werden, schlüpften wir durch einen Zaun – und befanden uns auf einem Grundstück voll von Obstbäumen! Doch leider mit kleinen, verkrüppelten, unreifen Bestand, bei dem die vertrocknete Blüte noch größer war als die eigentliche Frucht. Wofür auch Plündern gehen, wenn man 10 Avocados für 3 Dollar haben kann? So machten wir uns mit leeren Händen und leichtem Herzen zurück zu unserem „Zuhause“.