Autobesitz
Das erste, was Rani und ich taten, als wir unser erstes eigenes Auto besaßen, war: CDs kaufen. Eine mit Oldies, eine Indie-CD, Old School Hiphop durfte nicht fehlen und für den Spaßfaktor: Vengaboys (the Vengabus is coming and everybody´s jumping…!)
Das zweite war, zu versuchen, Frederike ungeschadet aus der Riesenstadt Christchurch mit ihren vielen Spuren, Straßen und anderen Risikofaktoren herauszuschleusen, um den nächstbesten Pflaumenbaum zu finden. Es war gerade Saison und überall an den Straßenrändern trugen kleine Bäume große, saftige Früchte. Das hatten wir schon vorher entdeckt, konnten aber schlecht unsere Mitfahrgelegenheiten bitten, alle 40 Meter anzuhalten, weil wir gerne Steinobst pflücken wollten. Nun, im eigenen Auto, konnten wir so viel anhalten wie wir wollten. Und schon bald füllte sich der Kofferraum mit Plastiktüten voll lila, runder Pflaumen.
Das dritte war – ganz klar: nach Trampern Ausschau zu halten. Nur Vengaboys alleine konnten uns vielleicht auf Dauer nicht genug Abwechslung bieten. Am zweiten Tag unseres Autobesitzes fanden wir sie dann. Juri und Leo, zwei deutsche Burschen, die jonglierend bei Kaikura am Straßenrand standen. Ab dem Zeitpunkt, als wir das Auto anhielten, wusste ich, woher der Übermut manchen Kiwis kam, die uns zuvor freudestrahlend aufgegabelt hatten. Der Unterhaltungswert ist unermesslich. Und außerdem können 8 Hände mehr Pflaumenbäume plündern als 4.
Nachdem wir von Kaikura bis Blenheim alle Obstbäume leergeschüttelt hatten, beschlossen wir, die Nacht zusammen zu verbringen. Wir parkten das Auto hinter dem Wairau River und entzündeten ein Feuerchen unter der Flussbrücke. Wir grillten Pflaumen, denn davon hatten wir im Überfluss und tranken Tui, denn Leo hatte am nächsten Tag Geburtstag. Leo und Juri waren zwei lustige Gefährten, einer weiblicher wie der andere und beide ständig am zicken wie ein altes Ehepaar. Amüsiert sahen Rani und ich uns das gebotene Abendprogramm an, das da hieß: „Wir streiten von der Ameise auf Juris Isomatte bis zum Zündholz in Leos Rucksack und werfen dabei dramatisch die Hände gen Brückenpfeiler.“ Doch am nächsten Tag schien jeder Zoff vergessen und Juri weckte Leo mit einem Becher voll frischem Zimtkaffee und einem Blumenstrauß.
Wir nahmen die beiden mit nach Nelson, fuhren mit laut aufgedrehter Musik und heruntergekurbelten Fenstern mit unserer 20 Jahre alten, weißen Schrottkarre in die Stadt. Rani und ich mussten schließlich immer noch angeben, weil wir nun ein Auto besaßen. Und Juri und Leo waren, glaub ich, froh, aus diesem Auto wieder heraus zu kommen.
Zwei Wochen später hatten Rani und ich nichts mehr anzugeben: man war in unser Auto eingebrochen. Am helllichten Tag. Auf einem viel benutzen, öffentlichen Parkplatz. Wir waren nur eineinhalb Stunden unterwegs gewesen und nun besaßen wir nur noch das, was wir anhatten: Shorts und ein Top. Kreditkarten und Reisepass hatten wir Gott sei Dank in unseren Tagesrucksäcken gehabt. Alles andere aber war verloren: Unser Reisehaushalt vom Nähkörbchen bis zum Taschenmesser, persönliche Gegenstände – seien es Erinnerungen von den Lieben zu Haus, oder von den Liebgewonnenen dort, und das schlimmste: das Sicherheitsgefühl. Wir waren nicht nur in diesem Auto gesessen und es hatte uns von A nach B transportiert. Wir hatten drin diskutiert, geschlafen, gegessen – es war unser kleines Reisehaus gewesen, unser fliegender Teppich mit Gangschaltung, unsere Frederike. Der Schock, das Ekelgefühl, die Machtlosigkeit, die Hilflosigkeit, der Zorn, die Unglaublichkeit saß uns noch lange in den Knochen. Wir hatten Glück, dass wir 3 Tage später unsere Arbeit als Zimmermädchen anfingen uns so erst einmal Abstand bekamen. Denn nach diesem Vorfall hätten wir uns wohl nicht mehr in unserem Auto wohlgefühlt. Viele haben uns später ihre Bewunderung ausgesprochen, dass wir Neuseeland immer noch so lieben wie davor. Aber Neuseeland kann doch gar nichts dafür, dass irgendein hirnloser Laptopgeiler bei uns nichts als dreckige Kleidung und ein paar Spaßartikel gefunden hatte?